Ackerwildkräuter im Fokus – Fachtagung und „Lebensfelder“-Feldtage zeigten Vermehrungs- und Erhaltungsprojekte in Eifel und Börde
(03.07.2025) Noch tragen sie das Prädikat „garantiert selten“: Die konkurrenzschwachen, oft niedrigwüchsigen und bunt blühenden Wildkräuter der Äcker, die bis vor wenigen Jahrzehnten unsere Felder prägten. Doch eine wachsende Zahl an Akteur:innen in Landwirtschaft und Naturschutz will dies ändern: Zu groß wäre der Verlust an Vielfalt und damit an Potential für Landwirtschaft, Medizin und Tourismus, könnte der dramatische Rückgang dieser Artengruppe nicht aufgehalten werden. Entsprechend hoch war mit mehr als 90 Teilnehmenden das Interesse an der dreitägigen „Exkursionstagung zum Schutz der Ackerwildkräuter“ in der Eifel.

Die traditionsreiche Fachtagung wurde in diesem Jahr als eintägige Vortragsveranstaltung des Segetalflora-Netzwerks im LVR-Freilichtmuseum Kommern in Kombination mit zwei Feldtagen im Rahmen des Naturschutzprojektes „Lebensfelder – Praxisstandards zur Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern“ unserer Stiftung Rheinische Kulturlandschaft und der Bayerischen KulturLandStiftung ausgerichtet. Der räumliche Schwerpunkt lag in der Eifel, den Abschluss bildete ein Abstecher zu Vermehrungsflächen in der Niederrheinischen Bucht.
Weit gespannt war der zeitliche Rahmen, den die Tagung abdeckte: Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Ackerwildkrautschutz, etwa aus dem GISA-Projekt, fanden ebenso Berücksichtigung wie die Erinnerung an Prof. Wolfgang Schumacher, der den Vertragsnaturschutz ausgehend von den Ackerrandstreifenprogrammen in der Eifel Mitte der 1970er Jahre ins Leben rief.



Fachtagung im LVR-Freilichtmuseum Kommern
Den Auftakt der Tagung im Freilichtmuseum Kommern am 12. Juni 2025 bildete ein von Margarethe Becker, wissenschaftliche Referentin des Museums für Ökologie und Kulturlandschaft, geführter Rundgang zu den Schutz- und Schauflächen für ruderale und segetale Wildkräuter. Diese wurden im Rahmen verschiedener Projekte unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Wolfgang Schumacher seit den 1980er Jahren angelegt, angefangen bei der „Anlage biogenetischer Reservate zur Erhaltung gefährdeter dörflicher Wildpflanzengesellschaften und historischer Nutzpflanzenkulturen“ in den 80er Jahren über „Unkraut vergeht nicht – stimmt nicht!“ von 2020 bis 2019 bis hin zu „Wilde Vielfalt im Museum“ von 2020 bis 2023, und werden derzeit vom Museumsteam mit Unterstützung der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft erhalten.
Dr. Carsten Vorwig, Leiter des Freilichtmuseums, Dr. Thomas van Elsen, Universität Kassel, und Thomas Muchow, Geschäftsführer der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, und Dr. Stefan Meyer, Universität Göttingen, eröffneten und moderierten den Vortragsteil der Tagung im historischen Pingsdorfer Tanzsaal des Museums.
René Mause, Ackerwildkrautexperte der Biologischen Station im Kreis Düren, gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Segetalflora der Eifel und Zülpicher Börde. Möglichkeiten zur Erhaltung und Förderung artenreicher Segetalgesellschaften bieten insbesondere die – im Bundesvergleich attraktiv vergüteten – Vertragsnaturschutzprogramme in Nordrhein-Westfalen, Kompensationsmaßnahmen sowie Projekte mit der Möglichkeit zum Flächenankauf. Zudem fand die Rolle von Sonderstandorten abseits von Äckern wie Friedhöfen, Talsperren oder sogar Jahrmarktgeländen zur Erhaltung typischer Ackerwildkrautarten Beachtung. Vortrag René Mause
Dr. Heiko Schmied, Verbundkoordinator unserer Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, und Dr. Marion Rasp, Projektleiterin der Bayerischen KulturLandStiftung, stellten ihr gemeinsames Projekt „Lebensfelder – Praxisstandards zur Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern“ vor. Neben der Erläuterung des Projektschwerpunktes, nämlich der Erstellung bundesweit übertragbarer Standards, konzentrierte sich ihr Vortrag in Vorbereitung der nachfolgenden „Lebensfelder“-Feldtage auf die modellhafte Umsetzung der Sammlung und Vermehrung in den vier Projektregionen in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Vortrag Heiko Schmied und Marion Rasp
Bei einem Teil der Zielarten verlief diese bereits so erfolgreich, dass schon nach einem Vermehrungsdurchgang ausreichend Saatgut für alle Erhaltungsflächen vorliegt. Bei anderen Arten werden hingegen derzeit noch geeignete Strategien zur effizienten Vermehrung erprobt.
Mit seinem Vortrag zur unterschätzten Vielfalt von Ackeralgen behandelte Stefan Barthel, Universitäten Göttingen und Kassel, ein für viele Teilnehmende sicherlich völlig neues Themenfeld. Erstaunen konnten seine Erkenntnisse, dass die Diversität von Algen im Acker höher ist als auf Waldboden oder Totholz und in konventionellen Äckern höher als in biologisch bewirtschafteten. Im Rahmen seiner Forschung schloss Barthel bereits zahlreiche Wissenslücken, so identifizierte er mehr als 130 neue Algengattungen. In künftigen Studien soll auf Basis seiner Erkenntnisse der Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Bodenalgen und Ackerwildkräutern näher untersucht werden. Vortrag Stefan Barthel
Dr. Thomas van Elsen illustrierte in seinem Vortrag anhand einer Wiederholungskartierung in der Eifel die Entwicklung des Ackerwildkrautschutzes in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland: Von den Anfängen des Vertragsnaturschutzes durch Prof. Wolfgang Schumacher „per Handschlag“ in der Eifel, über das Karlstädter Positionspapier anlässlich der „Tagung zum Schutz der Ackerwildkrautflora“ im Jahr 2004 und das deutschlandweite Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“ bis hin zu heutigen Schutz- und Forschungsbemühungen. Hiermit leitete er über zu den zahlreichen aktuellen Praxisprojekten, die im Anschluss in Kurzvorträgen vorgestellt wurden. Vortrag Thomas van Elsen
Dr. Stefan Meyer, Frank Klingenstein, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, und Thomas Muchow beschlossen den Abend mit einer persönlichen Würdigung von Prof. Dr. Wolfgang Schumacher, der vielen der Teilnehmenden als erfolgreicher Naturschützer, begnadeter Pädagoge und Menschenfreund in Erinnerung bleiben wird. Vortrag Thomas Muchow und Frank Klingenstein




Gaben in Ihren Vorträgen einen Einblick in den Ackerwildkrautschutz in der Eifel und neue Projekte und Initiativen: René Mause, Dr. Heiko Schmied und Dr. Marion Rasp, Stefan Barthel, Dr. Thomas van Elsen.
Kurzvorträge:
- Dr. Marion Rasp (Bayerische KulturLandStiftung) – Langzeitentwicklung der Segetalvegetation im
Feldflorenreservat Pfleimberg bei Titting - Markus Radscheit (Verband Botanischer Gärten) – Berufsbegleitende Fortbildung „Gärtnerin
und Gärtner im Botanischen Artenschutz“ des Verbandes der Botanischen Gärten - Felix Doetsch (Bayerische KulturLandStiftung) – Wiederansiedlung seltener
Ackerwildpflanzen - Dr. Stefan Meyer (Georg-August-Universität Göttingen) – Segetalflora.de &
Ackerwildkrautverein – aktueller Stand und wie geht es weiter? - Stefanie Suchy (Tiroler Umweltanwaltschaft) – Projekt Alte Tiroler Getreidesorten
- Johanna Ruhnau (TH Bingen) – Segetalflora bodensaurer Standorte am Beispiel NSG
Pfinzquellen und Bewirtschaftung von Äckern in Naturschutzgebieten - Philipp Tran (Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz) – Diversität und Struktur von Ackerwildkraut-Populationen
in Deutschland - Malou Czibeck (Bayerische KulturLandStiftung) – Vielfalt für Sand- und Kalkscherbenäcker im
Landkreis Roth
Posterbeiträge:
- Markus Radscheit (Verband Botanischer Gärten) – „GärtnerIn im Botanischen
Artenschutz“ - Freya Zettl (Hochschule Nürtingen) – Applied, farmer-friendly measures to promote rare
arable weeds in organic agriculture - Ralf Rauber (Jachenau) – Kartierung und Förderung der Segetalflora im Landkreis
Starnberg - Franziska Mayer (LfL Bayern) – Ackerwildkraut-Wettbewerb Bayern
„Lebensfelder“-Feldtage in der Eifel

Die Ganztagesexkursion in Form eines „Lebensfelder“-Feldtages am 13. Juni 2025 führte unter Leitung von Laura Fortmann, Projektleiterin „Lebensfelder“ unserer Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, sowie Heike Günther und Svenja Luther, Mitarbeiterinnen der Biologischen Station im Kreis Euskirchen, zu artenreichen Ackerflächen in der Eifel: Vom Bürvenicher Berg über das Rotbachtal bei Schwerfen bis hin zu den Ackerterrassen bei Schleiden. Viele der besuchten Flächen befinden sich im Vertragsnaturschutz und werden von der Biologischen Station betreut. Auch Sammel- sowie eine der Vermehrungsflächen für das Projekt „Lebensfelder“ wurden besichtigt. Bereichernd war zudem der Austausch mit den Bewirtschaftern von Erhaltungsflächen, die die Fragen der Teilnehmenden ausführlich beantworteten.
Überraschend konnten bei der Exkursion auf zwei der präsentierten Flächen insgesamt vier bisher nicht kartierte Arten gemeinsam mit den Teilnehmenden nachgewiesen werden, nämlich Bromus japonicus, Valerianella rimosa, Veronica triphyllos und Legousia hybrida – ein schöner Gemeinschaftserfolg!
Den Abschluss der Tagung bildete der zweite „Lebensfelder“-Feldtag am 14. Juni 2025 auf dem Regiosaatgut-Vermehrungsbetrieb „Bauer Courth – Wild.Saat.Gut.“ von Martin Courth in Köln-Esch. Seit 2023 vermehrt Courth mit seinem Team im Auftrag unserer Stiftung Rheinische Kulturlandschaft für das Projekt „Lebensfelder“ auch seltene Ackerwildkräuter aus der Niederrheinischen Bucht. In diesem Sommer steht die Ernte von acht Arten an, deren Bestände im Feld als Direktsaat, als Pflanzung in Mulchfolie und in der Voranzucht kurz vor der Auspflanzung zu besichtigen waren. Bei einer Feldrundfahrt im Anschluss an die Betriebsvorstellung konnten die Teilnehmenden zudem den Anbau von Gräsern und Stauden kennenlernen sowie Erntemaschinen für Wildkräuter in Aktion erleben.
Der Vortrag von Martin Courth, Betrieb „Bauer Courth – Wild.Saat.Gut.“, folgt in Kürze.

Ausgerichtet wurde die Vortragsveranstaltung am 12. Juni 2025 von den Universitäten Göttingen und Kassel sowie der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft. Gefördert wurde sie von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) im Rahmen des Projektes „Förderung der Agrophytodiversität in Deutschland – Vernetzung der Akteure“ und dem LVR-Freilichtmuseum Kommern innerhalb des GFG-Projektes „Schützen durch Nutzen“. Kooperationspartner waren die Biologische Station im Kreis Euskirchen, das LVR-Freilichtmuseum Kommern und die Abteilung Kulturlandschaftspflege des LVR.
Die Feldtage am 13. und 14. Juni 2025 wurden von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft im Projekt „Lebensfelder – Praxisstandards zur Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern“ ausgerichtet. Das Projekt wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie durch die Landwirtschaftliche Rentenbank.

Die Vorträge in höherer Auflösung, weitere Fotos zur Tagung und den Feldtagen finden sich in Kürze auf der Homepage des Segetalflora-Netzwerks; zudem wird es dort die Möglichkeit zum Upload eigener Bilder geben.