Das richtige Saatgut wählen

Bei der Auswahl einer Saatmischung spielen viele Faktoren eine Rolle: Von Verfügbarkeit und Preis über den gewünschten Einsaatzeitpunkt, den Standort oder die Standdauer bis hin zur verfügbaren Sätechnik müssen viele Dinge beachtet werden. Bei all diesen Überlegungen spielt für viele Saatgutanbieter und -käufer die Saatgutherkunft noch eine untergeordnete Rolle, sodass häufig beim Einsatz von Wildpflanzen in der Saatmischung sogenanntes „gebietsfremdes“ Saatgut zur Aussaat kommt. Dies kann zu einer Verfälschung und Verdrängung der „gebietsheimischen“, standortangepassten Wildpflanzenflora beitragen. Deshalb unterscheidet wir in Wild- und Kulturpflanzen- sowie Regiosaatgut.

Wild- und Kulturpflanzen – wo liegt der Unterschied für die Natur?

Als Wildpflanzen bezeichnet man Pflanzenarten, die „wild“, d. h. ohne menschliche Beeinflussung, wachsen und sich durch natürliche Auslese den Umweltbedingungen angepasst haben. Kulturpflanzen hingegen sind vom Menschen „in Kultur“ genommene Pflanzenarten, also auf Äckern oder in Gärten angebaute Arten, die oftmals durch Auslese bestimmter erwünschter Eigenschaften aus Wildpflanzen entwickelt und meist züchterisch verändert wurden. Sie dienen als Nutzpflanzen, z. B. zur Erzeugung von Nahrung, Futter, nachwachsenden Rohstoffen, zur Bodenverbesserung, als Zierpflanze etc.


Kornblume, Zuchtform
Kornblume, Rheinische Wildform

Was ist Regiosaatgut und warum ist die Herkunft bei Wildpflanzen wichtig?

Bei Wildpflanzenarten ist die Herkunft des Saatgutes aus naturschutzfachlicher Sicht von großer Bedeutung, um sog. Florenverfälschungen, also negative Veränderungen der Pflanzenwelt eines Gebietes, zu vermeiden. Solche unerwünschten Veränderungen können durch die Verdrängung von gebietsheimischen Pflanzensippen durch konkurrenzstärkere gebietsfremde Sippen oder eine Kreuzung zwischen diesen entstehen.

Bei der Verwendung von Wildpflanzen in Saatgutmischungen sollte deshalb nach Möglichkeit auch im Siedlungsbereich und auf landwirtschaftlichen Flächen ausschließlich gebietsheimisches Wildpflanzen-Saatgut genutzt werden, also mindestens aus regionaler Herkunft. In der Praxis hat sich hierzu die Verwendung von zertifiziertem Regiosaatgut aus der Herkunftsregion des Einsaatortes etabliert.

Mit dem Begriff Regiosaatgut bezeichnet man Samen heimischer Wildpflanzenarten, die nach bestimmten Kriterien in der Region gesammelt und vermehrt wurden, in der sie später auch wieder ausgesät werden. Es existieren zwei Zertifizierungssysteme (VWW-Regiosaaten® und RegioZert®), die auf einer Einteilung Deutschlands in 22 Herkunftsregionen für die Sammlung und Wiederausbringung sowie acht Produktionsräume für die Vermehrung basieren (Infos zu Herkunftsregionen und Produktionsräume).

Hinweis: Die Verwendung von gebietsheimischem Saat- und Pflanzgut ist in der sog. „freien Natur“ ab dem 1. März 2020 verpflichtend, d. h. bei der Verwendung gebietsfremder Pflanzen ist hier eine Genehmigung notwendig (siehe § 40 Abs.4 BNatSchG). Landwirtschaftliche Produktionsflächen zählen zwar nicht zur „freien Natur“, jedoch ist auch hier aus Naturschutzgründen die Beschränkung auf gebietsheimisches Saat- und Pflanzgut zu empfehlen.

Warum „Florenverfälschung“ vermeiden?

Die Vermeidung einer Florenverfälschung und somit der Erhalt einer hohen innerartlichen Diversität bewahrt spezielle regionaltypische Anpassungen an die vorherrschenden Standortbedingungen (z. B. an die Bodeneigenschaften, Witterung, bestimmte Bestäuber). Je höher die innerartliche Vielfalt, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die heimischen Arten auf Populationsebene bei einer Veränderung der Standortbedingungen (z. B. Klimawandel) vorteilhaft anpassen können (z. B. Blühzeiten, Fruchtreife).

Wann regionale Wildpflanzen einsetzen?

Einheimische Wildpflanzenarten sind überlebenswichtig für viele spezialisierte Tiere wie z. B. einige Wildbienenarten, die nur den Pollen weniger bestimmter Pflanzenarten, -gattungen oder -familien sammeln. Für anspruchsvolle Naturschutzprojekte zur Förderung gefährdeter Insektenarten sind Wildpflanzeneinsaaten, die mindestens Regiosaatgut-Qualität entsprechen, daher meist unverzichtbar. Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung von Wildpflanzen ist die große Auswahl an Arten für unterschiedlichste Standortbedingungen, sodass sie sich ideal für Sonder- und Grenzertragsstandorte eignen.

Wann sollten Kulturpflanzen eingesetzt werden?

Kulturpflanzensaatgut ist nicht-regionalem Wildpflanzensaatgut aus floristischer Sicht stets vorzuziehen und i. d. R. deutlich kurzfristiger auch in großen Mengen verfügbar (siehe hierzu auch Hinweise zur Verwendung von Saatgut bei der Honigbrache). Kulturpflanzen besitzen im Vergleich mit Wildpflanzen oft den Vorteil einer größeren Blüten- und Samenbildung pro Pflanze, insbesondere bei einer gezielten Züchtung auf diese Merkmale, sofern sie auf hochwertigen Böden angebaut werden. Dies ist besonders bei faunistischen Zielarten gewünscht, die sog. „Massentrachten“ bevorzugen (z. B. bestimmte Hummelarten). Auch innerhalb einer Art kann je nach Sorte die Zugänglichkeit sowie die Qualität und Quantität von Pollen und Nektar als Nahrung für Bestäuber jedoch unterschiedlich sein. Dies ist nicht immer erkennbar, jedoch können zumindest die Zusätze „frei abblühend“ bzw. „ungefüllt“ oder „Pollensorte“, sowie „nektarreich“ auch von Laien bei der Bestellung berücksichtigt werden. Weitere Vorteile sind die i.d.R. geringen Saatgutpreise im Vergleich mit einjährigen regiozertifizierten Wildpflanzen bei Maßnahmen auf jährlich wechselnden Flächen, die Möglichkeit zur gezielten Arten- und Sortenauswahl für bestimmte Standortbedingungen und Fruchtfolgen auf landwirtschaftlichen Flächen sowie die meist hohe Konkurrenzstärke gegenüber Problemunkräutern.

Grundsätze der richtigen Sortenwahl bei Kulturpflanzen

  • Hohe Blühneigung, große Blütenanzahl, lange Blühdauer
  • Keine „gefüllten“ Blüten (z. B. bei Ringel- oder Sonnenblumen) oder pollen- und nektarfreie Sorten, da sie keine Nahrung für Bestäuber bieten
  • Geringe Lagerneigung (d. h. geringe Neigung der Stängel oder Halme zum Umknicken)
  • Geringer Samenausfall
  • Verwendung von Nematoden-resistentem Saatgut (Weißer Senf, Ölrettich)
  • Bei Arten, von denen Wildformen existieren (z. B. Rot-Klee): Tetraploide Sorten zur Vermeidung von Florenverfälschungen nutzen

Entscheidungshilfe für die Wahl von regionalem Wildpflanzen- oder Kulturpflanzensaatgut

Quelle: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, 2019