Fachtagung LEPUS-NRW – Rund 80 Fachleute beraten die nächste Etappe für mehr Artenschutz

(24.06.2022) Was ist notwendig, um den Artenverlust von Rebhuhn, Feldhase, Kiebitz & Co. zu stoppen und effektive Naturschutzmaßnahmen umzusetzen? Mit dieser Frage beschäftigten sich rund 80 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung, Umwelt- und Naturschutz sowie Landwirtschaft und Jagd bei der Fachtagung „Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen in der Agrarlandschaft“ im Rahmen des Projektes „LEPUS-NRW: Lebensräume erhalten, planen und schützen“ in Bielefeld. Neben Fachleuten aus NRW nahmen auch Expert:innen aus den benachbarten Bundesländern Niedersachsen und Hessen an der Veranstaltung teil.

Wie sich Flächen für möglichst viele Arten im Jahresverlauf optimal nutzen lassen, erfuhren die Tagungsteilnehmenden während einer Rundfahrt in Kleingruppen. (Foto: Stiftung Rheinische Kulturlandschaft)

Das Artensterben ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Um ihm erfolgreich zu begegnen bedarf es vieler Akteur:innen aus unterschiedlichsten Berufs- und Fachrichtungen. LEPUS-NRW setzt genau hier an: Die Projektträger Stiftung Westfälische Kulturlandschaft und Stiftung Rheinische Kulturlandschaft bringen Menschen aus Wissenschaft und Forschung zusammen, die aus unterschiedlichsten Blickwinkeln ihr Wissen beisteuern und dann gemeinsam mit Landwirt:innen, Grundeigentümer:innen und Jäger:innen die bestmöglichen Wege zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen suchen. Dabei ist es wichtig die Interessen und Belange von Landbewirtschafter:innen, Naturschützer:innen, Behörden und Wissenschaftler:innen zielorientiert zu verbinden.

Unter der Moderation von Prof. Dr. Karl-Heinz Erdmann, Vorstandsmitglied der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege, die LEPUS-NRW exklusiv fördert, wurden Hintergründe zum Artenrückgang bei Niederwild vorgestellt und Möglichkeiten aufgezeigt, wie Lebensräume entwickelt, geplant und geschützt werden können. Für einen Wertewechsel im Sinne der Wertschätzung plädierte Prof. Dr. Tillmann K. Buttschardt vom Institut für Landschaftsökologie an der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster. So gehörten für wirksamen Insektenschutz bspw. Tiere wieder vermehrt auf die Weide und Fleischerzeugnisse sollten preislich angemessener verkauft werden. Denn damit Landwirt:innen die dringend notwendigen Biotope schaffen können, sei ein finanzieller Ausgleich durch die Gesellschaft notwendig.

Die Ansprüche einzelner Arten an ihren Lebensraum hinsichtlich Nahrung, Deckung oder Aufzucht der Jungtiere und die entsprechende Bewirtschaftung der Flächen skizzierte Dr. Michael Petrak, Leiter der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung beim Landesamt für Natur,- Umwelt- und Verbraucherschutz und ist überzeugt: „Jede Maßnahme ist ein Schritt in die richtige Richtung – je konkreter, desto wertvoller“. Biologische Vielfalt einerseits und landwirtschaftliche Produktion andererseits führen oft zu Zielkonflikten.

Wie ein Miteinander trotzdem möglich ist und welche Maßnahmen dem Naturschutz dienen und gleichzeitig praxistauglich und wirtschaftlich tragfähig sind, stellte Projektleiter Dr. Jannik Beninde vom Michael-Otto-Institut im NABU anhand des Projektes F.R.A.N.Z. „Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft“ vor. F.R.A.N.Z. untersucht derzeit mit Naturschützern und Landwirten gemeinsam auf zehn Demonstrationsbetrieben, welchen Einfluss produktionsintegrierter Naturschutz auf Feldhasen & Co. hat. Die Ergebnisse zeigen bislang positive Entwicklungen bei Feldhasen, aber auch Rebhühnern

Am Beispiel der Uferschnepfe stellte Klaus Nottmeyer, Leiter der Biologischen Station Ravensberg im Kreis Herford e.V., den Status quo beim Feuchtwiesenschutz in NRW dar. Zudem berichtete er von den guten Erfahrungen, die er beim Schutz des Kiebitz in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft im Kreis Herford erzielen konnte. Der Ornithologe ist überzeugt: „Artenschutz auf dem Acker ist bei guter Beratung und enger Betreuung der Flächenbewirtschafter erfolgreich!“ Seine Devise: „Nicht kleckern, sondern klotzen“. Damit dies gelingen kann, plädiert er für eine angemessene Entlohnung der erforderlichen Maßnahmenumsetzung durch die Landwirt:innen. Diese sollte über reine Entschädigung hinaus gehen.

Projektleiter Hendrik Specht von der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft warb in seinem Vortrag für die Kombination möglichst vieler Lebensraummaßnahmen auf Ackerflächen, im Grünland, an Gewässern sowie in Wald und Hecke, um dauerhafte Erfolge zu erzielen.

Nach dem Vortragsteil ging es bei einer Exkursion zu den Flächen von Landwirt Volker Storck, der am LEPUS-Projekt teilnimmt. Gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Stiftungen diskutierten die Tagungsteilnehmer an Ort und Stelle über Nutzen und Wirkung von Blühstreifen, Brachen und weiteren Maßnahmen sowie deren Vorteile für einzelne Arten. Landwirt Volker Storck berichtete zudem aus erster Hand über die teils sehr anspruchsvolle Einbindung dieser Maßnahmen in die Betriebsabläufe und war der Meinung: „Ohne eine Top-Beratung geht es nicht“.

Festzuhalten bleibt, dass es den einen Masterplan nicht gibt, sondern man betriebsindividuell und flächenspezifisch Maßnahmen planen muss, um für den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt erfolgreich zu sein.