Kooperation als Schlüssel

Tagung „Produktionsintegrierte Kompensation (PIK) in der Praxis“

(03.06.2015) Steht das Thema „Produktionsintegrierte Kompensation“, kurz PIK, auf der Tagesordnung, sind lebendige Diskussionen garantiert. So auch bei der Tagung „Produktionsintegrierte Kompensation in der Praxis“, die am 02.06.2015 in Euskirchen stattfand. Die Fachtagung mit Exkursion wurde von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft in Kooperation mit dem Kreis Euskirchen und dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten ausgerichtet. Zahlreiche Landschaftsarchitekten und Landwirte, Vertreter von Genehmigungsbehörden, Naturschutzorganisationen, Maßnahmen- und Projektträgern nahmen dieses Angebot wahr.

 

2010-05-28_sh_30_Eingriffe in Natur und Landschaft, z. B. durch Baumaßnahmen, müssen in der Regel durch Naturschutzmaßnahmen funktional ausgeglichen werden. Bei Eingriffen in Offenlandschaften, etwa Acker oder Grünland, bieten sich hierzu oft Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen an. Naturschützer, Planer und Landwirte begegnen diesem eher neuartigen Maßnahmentyp teilweise noch skeptisch.

Unbestreitbar sind Planung, Umsetzung und Kontrolle von PIK-Maßnahmen mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Wie sich diese in einer fruchtbaren Kooperation mit Projekt- und Maßnahmenträgern, Planern, Landwirten und Naturschutzbehörden meistern lassen, zeigten die Referenten der Tagung in Euskirchen anhand zahlreicher Beispiele aus ihrer Berufspraxis auf.

 

 

Anschauliche Theorie …

Norbert Hellmann, HKR Landschaftsarchitekten, Reichshof, und Fachsprecher Landschafts- planung im Bund Deutscher Land- schaftsarchitekten NRW.

Norbert Hellmann, HKR
Landschaftsarchitekten, Reichshof, und Fachsprecher Landschaftsplanung im Bund Deutscher Landschaftsarchitekten NRW.

Norbert Hellmann, HKR Landschaftsarchitekten, Reichshof und Fachsprecher Landschaftsplanung im Bund Deutscher Landschaftsarchitekten NRW, führte in die Thematik Produktionsintegrierte Kompensation ein. Er berichtete, dass in der Planerpraxis noch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber PIK bestehe. Er selbst vertritt jedoch nach intensiver praktischer Beschäftigung mit dem Thema PIK die Ansicht, „dass diesem Instrument eine faire Chance vor dem Hintergrund der zunehmenden Flächenverknappung für die Kompensation v. a. auf landwirtschaftlichen Nutzflächen eingeräumt werden muss.“
Hellmann brach in seinem Beitrag zudem eine Lanze für die enge Verknüpfung von Landschaftsplanung und Kompensation: Die Landschaftsplanung müsse geeignete Räume für Kompensationsvorhaben vorhalten, um diese auch sinnvoll in den Landschaftskontext integrieren zu können. Die aktuelle Tagung biete den passenden Rahmen, um neben der Theorie von PIK vor allem eine erfolgreiche praktische Umsetzung intensiv zu beleuchten.

 

Dr. Georg Verbücheln, Abteilungsleiter Naturschutz, Landschaftspflege und Fischereiökologie im LANUV NRW

Dr. Georg Verbücheln,
Abteilungsleiter Naturschutz,
Landschaftspflege und
Fischereiökologie im
LANUV NRW

Dr. Georg Verbücheln, Abteilungsleiter Naturschutz, Landschaftspflege und Fischereiökologie im LANUV NRW, stellte Strategien zur Erhaltung bedrohter Offenlandarten vor. Er betonte in seinem Vortrag den dringenden Handlungsbedarf, der bei der Aufwertung von Offenlandbiotopen bestehe. PIK-Maßnahmen spielten in diesem Zusammenhang auch in der Biodiversitätsstrategie NRWs eine bedeutsame Rolle.
pdf Vortrag Dr. Georg Verbücheln

 

 

Elmar Wiezorek, Leiter des Umweltamtes der Stadt Aachen

Elmar Wiezorek, Leiter des
Umweltamtes der Stadt Aachen

Elmar Wiezorek, Leiter des Umweltamtes der Stadt Aachen, berichtete am Beispiel der Stadt Aachen von Problemen und Lösungen bei der Planung, Flächenbereitstellung und Sicherung von PIK. Vor dem Hintergrund bereits 18-jähriger Erfahrungen der Stadt Aachen mit PIK, konnte er aus einem reichen Schatz an Erkenntnissen schöpfen und betonte: PIK sind aufwendig, aber dieser Aufwand lohnt sich für die Kulturlandschaft. Er empfahl Vorhabenträgern ausdrücklich, einen professionellen Maßnahmenträger für Planung, Umsetzung, Dokumentation und Kontrolle der Maßnahmen hinzuzuziehen. Entsprechende Kompetenzen seien zwar auch bei Umweltämtern vorhanden, jedoch sei dies primär Aufgabe der Eingriffsverursacher und auch hinsichtlich der Kosten durch diese zu tragen. Zudem hätten die Fachbehörden andere Aufgaben und in der Regel nicht die notwendige Zeit.
pdf Vortrag Elmar Wiezorek

 

Werner Sihorsch, Leiter Rekultivierung Land- und Forstwirtschaft, RWE Power AG

Werner Sihorsch, Leiter Rekultivierung Land- und Forstwirtschaft, RWE Power AG

Herausforderungen und Lösungen bei der Umsetzung und Kontrolle von PIK stellte Werner Sihorsch, Leiter Rekultivierung Land- und Forstwirtschaft, RWE Power AG, aus Sicht eines Projektträgers vor. Die Akzeptanz von Seiten der Landwirtschaft habe sich nach seiner Erfahrung als äußerst wichtig für das Gelingen von PIK erwiesen. Er mahnte zudem zu Geduld: PIK-Maßnahmen bräuchten eine gewisse Zeit zur Entwicklung, denn „die Natur reagiert nicht ad hoc auf Gesetzesvorgaben.“ Was sich in dieser Entwicklungszeit als (noch) nicht gelungen darstelle, müsse jedoch „auf den Tisch“ und offen mit allen Beteiligten diskutiert und, falls nötig, korrigiert werden.Herausforderungen und Lösungen bei der Umsetzung und Kontrolle von PIK stellte Werner Sihorsch, Leiter Rekultivierung Land- und Forstwirtschaft, RWE Power AG, aus Sicht eines Projektträgers vor. Die Akzeptanz von Seiten der Landwirtschaft habe sich nach seiner Erfahrung als äußerst wichtig für das Gelingen von PIK erwiesen. Er mahnte zudem zu Geduld: PIK-Maßnahmen bräuchten eine gewisse Zeit zur Entwicklung, denn „die Natur reagiert nicht ad hoc auf Gesetzesvorgaben.“ Was sich in dieser Entwicklungszeit als (noch) nicht gelungen darstelle, müsse jedoch „auf den Tisch“ und offen mit allen Beteiligten diskutiert und, falls nötig, korrigiert werden.pdf Vortrag Werner Sihorsch

 

Kirsten Kröger, Untere Landschafts- behörde Kreis Euskirchen

Kirsten Kröger, Untere Landschaftsbehörde Kreis Euskirchen

Kirsten Kröger, Untere Landschaftsbehörde Kreis Euskirchen, beleuchtete mögliche Schwierigkeiten und Lösungsansätze auf dem mitunter langen Weg von der PIK-Planung bis hin zur Kontrolle der umgesetzten Maßnahmen. Sie legte dar, dass PIK-Maßnahmen deutlicher Absprachen und eines pointierten Managements bedürften. Um die zahlreichen Naturschutzmaßnahmen, die außer PIK das Offenland prägen (z.B. CEF-Maßnahmen, Vertragsnaturschutz, Greening), bestmöglich miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen, sei zudem ein übergreifendes, landschaftsbezogenes Managementinstrument wünschenswert.Kirsten Kröger, Untere Landschaftsbehörde Kreis Euskirchen, beleuchtete mögliche Schwierigkeiten und Lösungsansätze auf dem mitunter langen Weg von der PIK-Planung bis hin zur Kontrolle der umgesetzten Maßnahmen. Sie legte dar, dass PIK-Maßnahmen deutlicher Absprachen und eines pointierten Managements bedürften. Um die zahlreichen Naturschutzmaßnahmen, die außer PIK das Offenland prägen (z.B. CEF-Maßnahmen, Vertragsnaturschutz, Greening), bestmöglich miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen, sei zudem ein übergreifendes, landschaftsbezogenes Managementinstrument wünschenswert.
pdf Vortrag Kirsten Kröger

 

Wolfgang Stein, Referent Landes-betrieb Straßenbau NRW, moderierte die Veranstaltung.

Wolfgang Stein, Referent Landes-betrieb Straßenbau NRW, moderierte die Veranstaltung.

Zwischen den Fachvorträgen bestand die Möglichkeit zur ausführlichen Diskussion der Vortragsinhalte. Dieses Angebot wurde von den Teilnehmern rege wahrgenommen, sodass sich ein lebhafter und konstruktiver Fachaustausch entwickeln konnte. Hierbei wurde immer wieder deutlich, dass der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, so auch von PIK-Maßnahmen, oft in einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten von der Planung bis zur Umsetzung der Maßnahmen liegt. Die Hinzunahme eines geeigneten Maßnahmenträgers kann sinnvoll sein, um Umsetzungs- und Kontrolldefizite von vorneherein zu vermeiden und den Fachbehörden die Kontrolle erheblich zu erleichtern. Die Zeit, die hier von allen Seiten zu Beginn der Planungen investiert wird, zahlt sich später oft vielfach aus. Kommunikation, Akzeptanz und Kooperation waren die viel zitierten Zauberworte.

Auch das Schlagwort Kostenmanagement fand in der Diskussion ausführliche Berücksichtigung. Zahlreiche Referenten und Tagungsteilnehmer konnten aus eigenen Erfahrungen berichten, dass PIK keineswegs teurer sein müssen als andere Kompensationsmaßnahmen, wenn eingangs eine kluge Maßnahmenplanung erfolgt.

Der Kontrollaufwand ist bei PIK ebenfalls nicht per se höher, denn eine regelmäßige Kontrolle ist bei allen Kompensationsmaßnahmen, auch den nicht produktionsintegrierten, essentiell für eine langfristig erfolgreiche Umsetzung. Für eine solche zu sorgen, liegt nach dem sogenannten „Verursacherprinzip“ zunächst in der Verantwortung der Eingreifer. Das „Vorsorgeprinzip“ darf hiermit jedoch keinesfalls vermengt werden, wie Norbert Hellmann betonte. Denn PIK seien kein Allheilmittel, sondern ergänzen als funktionaler Ausgleich verloren gegangener Biotope weitere notwendige Naturschutzmaßnahmen im Offenland.

 

Vielfach wurde der Wunsch nach mehr Positivbeispielen aus der Praxis genannt, den die Organisatoren am Nachmittag gerne erfüllten.

… und praktische Umsetzung vor Ort

Der intensive interdisziplinäre Austausch von Erfahrungen mit PIK stand auch bei der Exkursion zu drei ausgewählten PIK-Maßnahmen mit ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen in der Nähe von Euskirchen im Vordergrund.

Besichtigt wurden dabei:

1. Ein Extensivacker bei Schwerfen (Zülpich)
2. Ein Extensivgrünland bei Friesheim (Erftstadt)
3. Ein Extensivacker mit integriertem Blühstreifen bei Weilerswist

 

Patrick Haasenleder (2.v.l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, stellte zusammen mit Stefan Meisberger (1.v.l.), Biologische Station im Kreis Euskirchen, den Teilnehmern einen Extensiv- acker bei Schwerfen (Zülpich) vor, der von der Stiftung als PIK- Maßnahme betreut wird.

Patrick Haasenleder (2.v.l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, stellte zusammen mit Stefan Meisberger (1.v.l.), Biologische Station im Kreis Euskirchen, den Teilnehmern einen Extensiv-
acker bei Schwerfen (Zülpich) vor, der von der Stiftung als PIK-Maßnahme betreut wird.

Diese PIK-Maßnahmen wurden von der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft gemeinsam mit Landwirten umgesetzt und werden auch weiterhin von ihr kontrolliert und betreut. Die jeweiligen Projektleiter der Stiftung erläuterten die Maßnahmen vor Ort, beantworteten die Fragen der Teilnehmer und diskutierten mit diesen anhand der geschilderten Erfahrungen Schlussfolgerungen für die praktische Handhabung von PIK-Maßnahmen. Zeigten sich vor Ort spezifische Möglichkeiten zur Optimierung oder Weiterentwicklung der vorgestellten Maßnahmen, wurden auch diese gezielt von den Stiftungsmitarbeitern angesprochen, um in der Gruppe Ursachen und entsprechende Lösungsansätze zu erörtern. Vertreter der Biostation Euskirchen und Bonn-Rhein-Erft bewerteten die Maßnahmen und deren Zielsetzung und standen ebenfalls wie die umsetzenden Landwirte für zahlreiche Fragen zur Verfügung.
Exkursion Extensivgrünland Friesheim volle Auflösung

 
Thomas Steffens (l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, gab mit Christian Chmela (4.v.r.), Biologische Station Bonn- Rhein-Erft, einen Überblick über Extensivgrünland als PIK- Maßnahme bei Friesheim (Erftstadt).

Thomas Steffens (l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, gab mit Christian Chmela (4.v.r.), Biologische Station Bonn-Rhein-Erft, einen Überblick über Extensivgrünland als PIK-
Maßnahme bei Friesheim (Erftstadt).

Die anwesenden Landwirte machten gerade im Exkursionsteil deutlich, dass ihr Berufsstand PIK in Teilen noch kritisch gegenüber stehe und zunächst für PIK-Maßnahmen eingenommen werden müsste. Als Wunsch wurden weitere vertiefende Informationsangebote speziell für Landwirte geäußert. Die teilnehmenden Landwirte appellierten an ihre Berufskollegen, diese Angebote auch wahrzunehmen und sich dabei über die aktuelle PIK-Diskussion aus Sicht von Biologen, Planern und der Landwirtschaft ein fundiertes Bild zu machen. Landwirte, die selbst bereits als Bewirtschafter Erfahrungen mit PIK gesammelt haben, bekräftigten, dass sie auch eigene Anregungen in die Umsetzung einbringen konnten, etwa hinsichtlich der technischen Ausgestaltung.

 
Patrick Haasenleder (2.v.l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, stellte zusammen mit Stefan Meisberger (1.v.l.), Biologische Station im Kreis Euskirchen, den Teilnehmern einen Extensiv- acker bei Schwerfen (Zülpich) vor, der von der Stiftung als PIK- Maßnahme betreut wird.

Jan Dirk Schierloh (1.v.l.), Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, präsentierte den Teilnehmern als weitere PIK-Maßnahme einen Extensivacker mit integriertem Blühstreifen bei Weilerswist.

Die Tagung zeigte ein weiteres Mal: Eine enge Zusammenarbeit auch mit den Bewirtschaftern zahlt sich aus. Denn Landwirte, die sich mit ihren Kompetenzen und Erfahrungen als Partner ernst genommen fühlen, stehen auch hinter „ihren“ Maßnahmen, setzen sich sogar für deren Weiterentwicklung ein und reagieren dynamisch auf notwendige Optimierungen.
Exkursion Extensivacker Weilerswist
volle Auflösung