Kooperation ist Trumpf: Tagung zeigt Erfolgskonzepte zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft

(24.06.2019) Die biologische Vielfalt und ihre zahlreichen Funktionen zu erhalten, ist zu einem gesamtgesellschaftlichen Ziel geworden. Wie Kooperationen von Landwirtschaft und Naturschutz besonders fruchtbar für die Vielfalt wirken können, zeigte am 13. Juni 2019 die Fachtagung „Biologische Vielfalt in der Landwirtschaft fördern – Grundlagen, Forschung und Ergebnisse“ der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft in Köln-Auweiler.

Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft ist unerlässlich, darin waren sich die Referentinnen und Referenten einig (v.l.n.r.): Dr. Heiko Schmied, Projektleiter „Summendes Rheinland“, Gottfried Busch, Projektlandwirt „Summendes Rheinland“, Friedhelm Decker, Vorstandsvorsitzender Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin Bundesamt für Naturschutz, Dr. Georg Verbücheln, Abteilungsleiter LANUV, Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW, Prof. Dr. Werner Wahmhoff, ehem. Stellvertretender Generalsekretär / Abteilungsleiter der DBU-Naturerbe GmbH, Thomas Muchow, Geschäftsführer Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter DBV, Dr. Dieter Steinwarz, Leiter Biologische Station Rhein-Sieg

Die Abschlusstagung im Projekt „Summendes Rheinland – Landwirte für Ackervielfalt“ nahm dabei insbesondere die zahlreichen Möglichkeiten zur Förderung von Insekten auf landwirtschaftlichen Flächen in den Fokus. Wie diese naturschutzfachlich wirksam und ohne wirtschaftliche Beeinträchtigung des Gesamtbetriebes umgesetzt werden können, war ein Kernthema der Veranstaltung. Dieses beleuchtete die Tagung zunächst aus der bundesweiten und nordrhein-westfälischen Perspektive, bevor sie nachahmenswerte Beispiele in den Fokus nahm, die zeigten, wie die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis gelingen kann.

Ein „Leuchtturmprojekt“ ist für Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, das „Summende Rheinland“ der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, das wirksame Wege zu mehr Insektenvielfalt mit bundesweiter Strahlkraft aufgezeigt habe.

Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, zeigte in ihrem Vortrag das Engagement des Bundes auf, um die aktuell bei vielen Artengruppen rückläufige Biodiversität in der Agrarlandschaft wieder zu steigern. Die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Naturschutz bietet laut Jessel hierfür großes Potential. Wichtig sei dabei, den Schritt von erfolgreichen Modellvorhaben wie dem „Summenden Rheinland“, das über das Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert wird, in die breite Praxis zu schaffen. Kooperationen, wie sie im „Summenden Rheinland“ geschaffen wurden, hätten sich bei deren Etablierung als „Erfolgsrezept“ erwiesen, so Jessel.

Ministerin Ursula Heinen-Esser
Prof. Dr. Beate Jessel

Hier konnte Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), mit seinem Vortrag anknüpfen, in dem er erprobte Konzepte zur Steigerung der Biodiversität in der Agrarlandschaft vorstellte. Dazu zählt u.a. das Verbundprojekt „Lebendige Agrarlandschaften – Landwirte gestalten Ackervielfalt“ des DBV, in dem das „Summende Rheinland“ einen Baustein darstellt. Dass bereits ein Bewusstseinswandel in der Landwirtschaft stattgefunden habe, zeige sich ganz deutlich an den zahlreichen Blühflächen in der Landschaft, betonte Hartelt.

Prof. Dr. Werner Wahmhoff, ehem. Stellvertretender Generalsekretär / Abteilungsleiter der DBU-Naturerbe GmbH, ergänzte weitere Erkenntnisse und Lösungsansätze für mehr Biodiversität in der Kulturlandschaft (Vortrag Prof. Dr. Wahmhoff) . Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität müssten die Landwirtinnen und Landwirte umgehend „selbst in die Hand nehmen“, jedoch unterstützt durch kompetente Beratende und honoriert durch entsprechende Förderungen. Potential für mehr Vielfalt durch eine „ökologische Intensivierung“ sieht Wahmhoff in einer gebündelten administrativen und finanziellen Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, etwa durch Kooperativen, Kulturlandschaftsstiftungen oder Landschaftspflegeverbände: „Wenn man Verbesserungen will, reicht es nicht, noch mehr Kontrolleure zu schicken. Sondern ich brauche Organisationsstrukturen, die den einzelnen Landwirten die Bürokratie abnehmen.“

Eberhard Hartelt
Prof. Dr. Werner Wahmhoff

Welchen Beitrag das Land Nordrhein-Westfalen leistet, um die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu erhalten, erläuterte Dr. Georg Verbücheln, Abteilungsleiter Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Vortrag Dr. Verbücheln). Erfasst wird der Zustand der nordrhein-westfälischen Vielfalt mithilfe der Ökologischen Flächenstichprobe (ÖFS). Der Strukturverarmung und den damit einhergehenden Artenrückgängen begegnet das Land NRW mit der (Ko-)Finanzierung zahlreicher kooperativ ausgerichteten Maßnahmen, Programme und Projekte, die auf der NRW-Biodiversitätsstrategie fußen.

Dr. Dieter Steinwarz, Leiter der Biologischen Station Rhein-Sieg, stellte in seinem Vortrag die durchweg kooperativ geprägte Arbeit der Biostationen mit verschiedensten Partnern zur Erreichung von Naturschutzzielen dar (Vortrag Dr. Steinwarz). Von großer Bedeutung sind hier die Betreuung zahlreicher Landwirtinnen und Landwirte bei der Umsetzung von Vertragsnaturschutzmaßnahmen sowie zahlreiche Beratungsangebote. Auch die Umweltbildung ist ein Aufgabenbereich, dem sich die Biostationen verschrieben haben. Denn, so Steinwarz, „was wir den Kindern nicht beibringen, wird später nicht umgesetzt werden“.

Dr. Georg Verbücheln
Dr. Dieter Steinwarz

Ebenfalls aus der landwirtschaftlichen Praxis berichtete Gottfried Busch, der am „Summenden Rheinland“ teilnimmt (Vortrag Herr Busch). Für seinen Betrieb hat die Natur- und Landschaftspflege im Acker und Grünland mit verschiedenen Programmen und Projekten sowie im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen und auch ganz freiwillig ohne Förderung eine große Bedeutung entwickelt. Die Zwischenfruchtmischung des „Summenden Rheinlands“ sei außer für die Feldfauna auch für die teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte ein Gewinn, wie Busch ausführt: „Die Zwischenfrüchte durchwurzeln den Boden, sorgen für eine Humusanreicherung und binden Nährstoffe über den Winter. Positiv war zudem, dass im „Summenden Rheinland“ das Saatgut gestellt wurde und ich eine kleine Aufwandsentschädigung für die Einsaat und die Pflege der Fläche erhalten habe.“

Gottfried Busch
Vortrag zum Projekt „Summendes Rheinland“

Warum der „Erfolgsfaktor Kooperation“ für die Arbeit der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft von zentraler Bedeutung ist, führte Thomas Muchow, Geschäftsführer der Stiftung, aus: „Die Förderung der biologischen Vielfalt lässt sich nachhaltig nur in Kooperation mit Landnutzern erreichen. Das Prinzip „Naturschutz durch Nutzung“ ist dabei eine der Säulen, auf denen das partnerschaftliche Konzept der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft ruht. Neben der ökologischen Wirksamkeit der Maßnahmen tritt als weitere unverzichtbare Säule die ökonomische Tragfähigkeit hinzu, denn „freiwillig heißt nicht kostenlos“, so Muchow.

Dr. Heiko Schmied, Projektleiter des „Summenden Rheinlands“, stellte die vorläufigen Ergebnisse des Naturschutzprojektes vor, das nach sechsjähriger Laufzeit in diesem Jahr seinen Abschluss finden wird. An dem Projekt nehmen insgesamt 60 Landwirtinnen und Landwirte teil, die hierbei auf ihren Flächen drei verschiedene Maßnahmen zur Bestäuberförderung umsetzen. Dazu gehören blühende Zwischenfrüchte auf insgesamt 450 ha sowie mit regionalen Wildpflanzen eingesäte Wegsäume auf insgesamt 50 km Länge und spezielle Wildbienen-Nisthilfen, die sogenannten „Bestäubergabionen“.

Das Projekt wird von einem faunistischen Monitoring begleitet, dessen Ergebnisse eine Förderung der Arten- und Individuenzahl von Wildbienen und Tagfaltern durch die Maßnahmen des „Summenden Rheinlands“ belegen. Bei den Säumen z. B. stieg die Diversität mit dem Alter der Säume. Denn „je älter die Säume, desto wertvoller werden sie für die Insekten“, so Schmied. In der breiten Öffentlichkeit, bei Landwirten, Behörden und Naturschutzakteuren stößt das Projekt auf großes Interesse. „In künftigen Projekten möchten wir gerne noch mehr Interessengruppen einbinden, etwa mit einem Fokus auf Umweltbildung. Besonders großes Potential liegt unserer Ansicht nach in der gezielten Kombination von Maßnahmen“, schlägt Schmied vor (Vortrag Herr Muchow und Dr. Schmied).

Dr. Heiko Schmied
Ein Dank an Förderer und Partner des Projektes

In der Diskussion wurde deutlich, dass das Ziel einer hohen Insektenvielfalt nur gesamtgesellschaftlich erreicht werden kann. Nur wenn die Umweltbildung vom Kindergarten über Schule, Universität bis hin zu Fachschulen das Thema Biodiversität stärker und vor allem praxisorientiert in den Fokus rückt, wird ein umfassender Wandel im Bewusstsein und im Handeln für mehr Vielfalt möglich. Wiederholt formuliert wurde auch der Wunsch nach einer Entbürokratisierung bei der Förderung und Administration von Naturschutzmaßnahmen, um eine weitreichende Umsetzung zu erleichtern, denn „es ist wie beim Fußball: die Entscheidung fällt auf der Fläche!“, so Professor Wahmhoff.

Abschlussdiskussion
Friedhelm Decker

Einig waren sich die 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in einem weiteren Punkt: In der Kooperation von Landwirtschaft und Naturschutz lasse sich mithilfe integrierter Bewirtschaftungskonzepte eine Win-Win-Situation schaffen. Der Erfolg stelle sich immer dann ein, wenn man sich an einen Tisch setze. Um zu nachhaltigen Lösungen zu kommen, müsse man jedoch zuweilen bereit sein, sich von Maximalforderungen zu verabschieden.

Friedhelm Decker, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, fasste zusammen: „Die Praktiker der Biostation, der Stiftung und aus der Landwirtschaft haben heute anschaulich dargestellt, wie man Landwirtschaft und Naturschutz unter einen Hut bekommt. Dabei ist klar geworden: Wir werden nicht einfach mit mehr Masse an Maßnahmen Erfolg haben. Stattdessen müssen wir ganz genau schauen, welche Maßnahmen für welchen Betrieb und welche Fläche geeignet sind, um erfolgreich zu sein.“

120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus haupt- und ehrenamtlichen Naturschutz, Landwirtschaft, Behörden, Wissenschaft und Verwaltung

Das Projekt wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowei der Landwirtschaftlichen Rentenbank
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Das Projekt „Summendes Rheinland – Landwirte für Ackervielfalt“ ist Teil des Verbundprojektes „Lebendige Agrarlandschaften – Landwirte gestalten Vielfalt“.